Rede zum 10jährigen Bestehen des Salons von Mai Wegener

Hexenhaus

Liebe Freundinnen und Freunde des Psychoanalytischen Salons –

Ich möchte Ihnen heute Abend ein Märchen erzählen. Es war einmal ein Hexenhaus. Das hatten vier bezaubernde Hexen mit ihren Künsten gezimmert, es war ein bisschen schief geraten und auch der Baustil kann nicht gerade einheitlich genannt werden. Kurz: es pfiff der Wind durch die Fugen, aber nach 100 Jahren stand es immer noch – und als sie das erstaunt feststellten, da freuten sich die Hexen und machten ein großes Fest. Nicht ohne sich vorher, wie es Hexenart ist, kräftig die Haare zu raufen.

Die Legende will, dass sich einst zwei von ihnen am Abfallplatz getroffen haben und beschlossen hatten: wir zaubern zusammen. Der Zufall also hatte sie vor 100 Jahren zusammengeweht und vielleicht auch noch etwas mehr: ein verwandter Stil, einige Überschneidungen in der Lektüre der kanonischen Schriften und außerdem ein Ärger über den großen Hexenrat, der damals gerade beschlossen hatte, ein großes Verwaltungsgebäude zu errichten…

Aber lassen wir das, das haut nicht hin. Die Psychoanalyse hat nichts mit Zauberei zu tun und der Salon ist bestimmt kein Hexenhaus. Das ist ja ein recht romantisches Bild, es fehlt nur noch der Lebkuchen. Gleichwohl werden wir bisweilen als Hexen wahrgenommen. Ich erinnere nur an die Unruhe darum, dass es vier Frauen sind, die den Salon eröffnet haben.

Es geht nicht um Zauberei in der Psychoanalyse, auch wenn Freud von der „Zauberkraft der Worte“ sprach. Die psychoanalytische Praxis, eine Textpraxis ist keine magische Praxis. Es ist eine Illusion, dass sich eine(r) der Wirkungen der Worte bemächtigen könne – eine wirkmächtige Illusion gewiss.

Nicht Lacanformeln wie Zaubersprüche aufsagen, gerade das hat uns ja genervt: an der Universität, an einigen Lacanianern.

Weil und damit die Psychoanalyse nicht Magie ist, Suggestion, gibt es eben diese große Frage der Übermittlung.

Psychoanalyse findet auf der Couch statt. Aber das reicht nicht, PsychoanalytikerInnen müssen öffentlich reden. Da bleiben Reste, es übersetzt sich nicht alles, das gehört dazu.
Aber sie müssen ausarbeiten, entfalten, theoretisieren und immer wieder neu übersetzen, auf die Probe stellen, was sie da machen. Und mir ist wichtig: Sie müssen die Kontaktstellen und die Kontaktschranken (mit Freuds schönem Wort) zu benachbarten Diskursen auszuloten. Sonst sind sie weg vom Fenster.

Die Stilfragen insistieren – um sie ging’s im Salon immer wieder:

– auf unserer Seite: Wie machen wir das? Muss es der übliche Vortragsstil sein? Was gibt es für andere Formen? Wie können wir mehr Kontinuität gewinnen, Fäden knüpfen zwischen den Sujets, den Diskussionen? Lässt sich nicht eine größere Nähe zur Kunst, zum Politischen herstellen? Und immer wieder: Wie von der Praxis sprechen?
– von Ihrer Seite kam das Echo, dass unser Diskussionsstil bisweilen zu heftig sei, verschrecke. Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe, warum mir diese Hexengeschichte in den Sinn gekommen ist.

Ich möchte heute Abend dagegen in Erinnerung rufen, dass wir mal eine Zeitschrift gründen wollten, die Zwitschermaschine heißen sollte. Vielleicht lassen sich auch andere Töne finden…

Es gibt aber auch eine Stelle bei Freud, die meinen Einfall gestützt hat. Sie kennen wohlmöglich seinen Ausruf: „Da muss die Hexe ran! Die Hexe Metapsychologie nämlich.“ Hier fühlen wir uns zweifelsohne angesprochen. Ich glaube, wir gelten als theoriefreudig.

Aber was ist denn meta, hinter, jenseits der Psyche? Der Körper!
Also, da höre ich auf zu sprechen. En corps – encore

Und wenn sie nicht gestorben sind … – dann feiern sie heute.