Blick zurück – nicht im Zorn

Eva Maria Jobst


Einen guten Abend wünsche ich allen, die sich aufgemacht haben, in Berlin im Antiquariat Fundus den psychoanalytischen Salon wieder – zu eröffnen.

Wir freuen uns sehr, daß wir weiterhin zu Gast sein dürfen an diesem anregenden, den psychoanalytischen Umtrieben  freundschaftlich verbundenen Ort.

Mit acht Einwürfen möchten wir sie begrüßen.

Der erste: mein Blick zurück – nicht im Zorn

„Berliner Gruppe für Psychoanalyse“, diesen Namen gab sich im Februar 1998 eine „Zusammenkunft“ von Vieren als ein die Not wendender, übermütiger Versuch, eine Form des öffentlichen Sprechens von und mit der Psychoanalyse zu erproben, von der wir nicht wußten, wie sie sich knüpfen würde.

Die freund-feindlich oszillierende „Grenzziehung“[1] zu der ein oder andren sich auf Freud und Lacan berufenden psychoanalytischen Assoziation im „Rundbrief zur Eröffnung“ las und lese ich als Bahnung für unser Begehr, einen Raum zu öffnen, in dem der Einzelne „auf je eigene Weise (seine) Affäre mit der Psychoanalyse (artikulieren könnte)“[2],  einen Ort zu finden für ein radikales Fragen nach dem, „was das ist, Psychoanalyse, was es sein kann oder dabei ist zu werden“.

Nun, Sie wissen, es gibt diese Gruppe, gebildet von Susanne Lüdemann, Edith Seifert, Mai Wegener und mir, seit 2008 nicht mehr. Im Nachhinein mag man im Lapsus, ihr10jähriges Bestehen als Jubiläum zu feiern, ihr Auseinandergehen sich ankündigen hören. Es ist ihr Abschiedsfest geworden.

Da ich das schreibe, fällt mit eine Zeile aus einem Gedicht Erich Kästners ein, „Der September“, von  dem es zu Beginn heißt: „Das ist ein Abschied mit Standarten“ (aus Pflaumenblau und Apfelgrün ) – ein solcher wird es wohl nicht gewesen sein.

Die letzte Strophe des Gedichts möchte ich Ihnen gleichwohl vorlesen:

Die Stare gehen auf die Reise.

Altweibersommer weht im Wind.

Das ist ein Abschied laut und leise.

Die Karussells drehn sich im Kreise.

Und was vorüber schien, beginnt.

Die Dissonanzen aber, die zum Zerreißen des allein auf den Schrieb zur Eröffnung gegründeten Bandes führten, werden, so meine ich, bereits in den Jubiläumsreden[3] hörbar. Ging es darin nicht auch wieder um Stilfragen? Um das Unerträgliche, das darin liegt, die Randständigkeit der Psychoanalyse gegen die Versuche – wiederkehrende Versuchungen – zu behaupten, sie gesellschaftsfähig zu machen?

Gewiß mag, wer jenseits kassenärztlicher Zulassung Psychoanalyse praktiziert , das Fehlen sozialer und materieller Sicherheit – zurecht – beklagen und sich folglich günstigere Umstände für seine Praxis wünschen, weiter reichende Gesellungen, die ihn für seine Entbehrungen entschädigen.

Und doch drängt sich mir immer noch der Gedanke auf, daß  der Zankapfel: „die starke und polemisierende Grenzziehung“, die manch ein Leser dem Brief zur Eröffnung vorwarf, ein Effekt /Affekt des Namens war, den sich die Viererbande gegeben hatte: „Berlin und Psychoanalyse – wie mag das zusammengehen im Hinblick auf die Effekte dieser Signifikanten in der Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland?“ – so habe ich es in meinem Eröffnungsbeitrag gesagt.

Wer in diesem Land – und das gilt auch für die Berliner Republik – Psychoanalyse praktiziert, bekommt es notwendig zu tun mit den Verknotungen unsrer kleinen Geschichten mit der großen Geschichte, der heutigen psychoanalytischen Gesellungen mit ihren Vorgängerinstituten  – auf den Wegen und Umwegen der Signifikanten, die sie durchqueren. Damit zum Beispiel, daß die meisten der im Berliner Institut und damit in der IPA organisierten Analytiker dem Rauswurf der jüdischen Kollegen, der „Gleichschaltung“ der Psychoanalyse im „Reichsinstitut“ und somit der  Ersetzung der Freudschen Analyse durch eine „deutsche Psychotherapie“ ihre Zustimmung nicht verweigert haben –  wohl nicht zuletzt aus Gründen der Anerkennung des gesellschaftlichen Nutzens der Psychoanalyse.

Ich frage mich, ob nicht dieser Zug sich gegenwärtig insbesondere in dem ‚Dialog zwischen Psychoanalyse und Neurowissenschaften’[4] manifestiert. Neigt in diesem ‚Dialog’ die etablierte Psychoanalyse nicht dazu, diese den Neurowissenschaften zu übereignen, wenn sie zum Beispiel ihre Analysanten zum Zwecke der Objektivierung und Evaluierung ihrer Heilungserfolge deren bildgebenden Verfahren aussetzt? Sucht sie da nicht vor allem eins zu sichern: die Garantie ihrer Praxis  durch die Krankenkassen?

Nun, der anstößige Brief zur Eröffnung ist im Archiv des  Salons aufbewahrt. Unsre Wege haben sich getrennt, um sich im Fundus doch wieder zu kreuzen.

Edith Seifert hat hier vor wenigen Tagen, am 22. November, die Reihe der von ihr initiierten jours fixes – mit Namen Psychoanalyse am Donnerstagabend –  im Rahmen des psychoanalytischen Kollegs eröffnet.

Susanne Lüdemann, Mai Wegener und ich, die, wie wir Sie im Brief vom 6. November 2008 wissen ließen, weiterhin die Position  der „Berliner Gruppe“ halten wollen, nahmen uns „die Zeit für einen Neuentwurf“  – Susanne Lüdemann zunächst schriftlich aus Chicago, wo sie seit Januar 2009 lebt und lehrt , mündlich im Sommer in Berlin; seit dem Frühsommer ist Birgit Pungs dazugekommen, die sich uns auf den Novemberbrief hin als Saloniere angeschlossen hatte.

Unsere Überlegungen führten endlich zu dem Schluß, den Salon wiederzueröffnen – in „veränderter Besetzung“. Was hat es mit dieser veränderten Besetzung auf sich: Im Juni dieses Jahres haben Mai Wegener und ich einige, denen wir eine freundlich-freundschaftliche Nähe zum Salon antrugen, in der Erwartung eingeladen, im  Rahmen einer offenen Arbeitsgruppe unserem Vorhaben eine breitere Basis zu schaffen.

„Wir unternehmen diesen Versuch“, schrieben wir, „da wir … die Salonabende aus einem Austausch (von Worten) heraus entstehen lassen wollen  – und dabei … die Lust und Arbeit am Text … erneut ins Zentrum stellen.“

Nun, dieser Einladung sind einige ein ums andre Mal gefolgt, nicht ohne kritisch nachzufragen, was der Einzelne sich denn da einhandele, als Freund oder Freundin adressiert und aufgefordert zu werden, sich anders einzumischen als gelegentlich der Salonabende.

Der Salon ist nicht die Psychoanalyse und er wie auch der Kreis seiner Freunde versammelt Pychoanalytiker und an der Psychoanalyse Interessierte – die mit ihr auf anderen Feldern arbeiten. Und doch möchte ich, um den Horizont dessen zu umreißen, was es in Sachen psychoanalytischer Salon mit der Freundschaft auf sich hat, wird auf sich haben können, einige Bemerkungen Jacques Derridas zur Formel „Freund der Psychoanalyse“ zu bedenken geben. Ich entnehme sie dem 2001 erschienenen Buch „De quoi demain…“, das neun Gespräche versammelt, die Elisabeth Roudinesco und Jaques Derrida zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 geführt haben.[5] Der „gemeinsame Bezugspunkt für den gesamten Dialog“, so E. Roudinesco, sei die Psychoanalyse gewesen[6]: „Lobrede  auf die Psyhoanalyse“ heißt denn auch die letzte Gesprächssequenz, in der sie die von Ferenczi in seinem Briefwechsel mit Freud entwickelte Idee einer „Gesellschaft der Freunde der Psychoanalyse“, die an dieser interessierte Schriftsteller, Künstler, Philosophen und Juristen vereinen sollte, eingedenk der Freudschen Mahnung, daß die Psychoanalyse nicht zum Eigentum einer Praktikerzunft werden dürfe[7]. Derrida  greift  die Adressierung „Freund der Psychoanalyse“ erfreut auf:

„(Der Ausdruck) besagt die Freiheit einer Allianz, eines Engagement ohne institutionellen Status.“[8] Und weiter: „Der Freund begrüßt eine Art Freudscher Revolution, er hält dafür, daß sie den Raum, in dem wir wohnen, arbeiten, schreiben, lehren usw. bereits markiert hat und fürderhin – immer wieder anders – markieren sollte. (…) Der Freund ist derjenige, der die (…) Notwendigkeit der Psychoanalyse (…) bekräftigt, der sich aber auch für den problematischen Charakter der Beziehungen zwischen (…) der Notwendigkeit des Wissens und seiner institutionellen Einschreibung, zwischen dem öffentlichen Raum der Psychoanalyse und der absoluten Einzigartigkeit ihres ‚geheimen’ Raumes interessiert.“[9]

Die Zwecke, die sich der Arbeitskreis der Freunde des Salons –vorläufig – gesetzt hat, sind auf der Website nachzulesen:

Er „trifft sich regelmäßig, um über Psychoanalyse zu sprechen. Von ihrer Lage heutzutage, ihrer Stellung in und zu den kulturellen und gesellschaftlichen Umbrüchen, von dem, was sie ausmacht und dem, was sie anmacht.“

Dem Austausch von Worten in diesem Kreis verdankt sich der heutige Abend, er gab die Anregungen für die angekündigten „Einwürfe“.